Seit mehr als vier Monaten sind wir hier, jeden Samstag.
Mich hat überrascht, dass immer noch so viele Menschen kommen, wenn auch in geringerer Zahl als am Anfang.
Bei Bewegungen, die im Gefolge von Ereignissen entstehen, ist es typisch, dass am Anfang großer Enthusiasmus und große Beteiligung herrschen, die dann im Laufe der Zeit durch die tägliche Routine verwässert werden.
Ich habe mich oft gefragt, wozu man hierher kommt. Was wollen wir erreichen, was wollen wir geben? Was sollen wir nehmen?
In einem Gespräch, das ich neulich mit einigen Ukrainern führte, gab es mir zu denken, als einer von ihnen sagte: "Wir werden immer erschöpfter, es macht viel Arbeit, das alles zu organisieren, und wir stellen auch fest, dass die Anfrage, hier samstags eine kurze Rede zu halten, etwas abgenommen hat. Sie wird immer noch auf einem gewissen Umfang gehalten, aber hauptsächlich von Ukrainern".
Diese Überlegungen brachten mich zu der Frage zurück: "Was machen wir hier? Für wen? Warum?"
Die Antwort, die ich für mich gefunden habe, lautet:
Die Menschen, die hierher kommen, sind hier, weil sie sich wünschen und hoffen, andere Menschen zu finden, mit denen sie sich über die Geschehnisse in der Ukraine austauschen können, die die Situation verstehen und Verständnis entgegen bringen.
Wenn etwas schief geht, gibt es Betroffene und Menschen, die ihnen nahestehen.
Wenn man sich in einer schwierigen Situation befindet, ist man froh, wenn man Menschen findet, mit denen man sich austauschen kann, die Verständnis und Mitgefühl haben, egal ob sie die Lösung haben oder nicht.
Das Gleiche gilt für diejenigen, die ihnen nahe stehen und aufmerksam auf das Geschehen sind.
Und das ist, glaube ich, der Grund, warum wir hierher kommen, jeder für sich mit seinen eigenen Gründen: um zu erzählen, um zu wissen, um zuzuhören und um zu spüren, daß man zugehört wird.
Hier, auf diesem Platz, unter uns, wird keine "große Politik" gemacht, ganz gleich, welcher Diskurs geführt wird. Die "große Politik" findet woanders statt.
Was wir in diesen Zeiten brauchen und was uns zusammenhält, sind unsere Anteilnahme, unsere Gefühle, unsere Menschlichkeit.
Und deshalb ist es wichtig, dass wir einen Platz haben, an dem wir uns regelmäßig oder häufig treffen können, um uns zu sehen, um nicht in der Vereinsamung, in der Unwissenheit zu verfallen, sondern um das Gefühl der Gemeinschaft, der Verbundenheit zu haben.
Und das ist es, was uns jeden Samstag hierher führt und was wir verwirklichen: jeder aus seinen eigenen Gründen, aber auch um den anderen zuzuhören, die hier sind.
In diesen Monaten erleben Ukrainer und Nicht-Ukrainer unterschiedliche Situationen und Lebensbedingungen und stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen.
Hör nicht auf, anderen mitzuteilen, was ihr denkt und fühlt.
Eine letzte Aufforderung an die Nicht-Ukrainer: Beteiligt euch und lasst die Menschen hören, was ihr fühlt und denkt. Das ist wichtig für all diejenigen, die aufgrund von Notlagen neu zu uns nach Deutschland gekommen sind.
Slawa Ukrajini